Das Verfahren und seine Vorteile
Beim Nitrocarburieren dringen sowohl Stickstoff als auch Kohlenstoff in die Oberfläche eines Werkstücks ein. Die Oberfläche wird hart, während der Kern weich bleibt. Zudem wird eine dünne Verbindungsschicht gebildet, die einen hohen Korrosions- und Verschleißschutz bietet. Die darunter liegende Diffusionsschicht verbessert zusätzlich die Dauerfestigkeit.
Trotz ähnlicher Namen handelt es sich bei Nitrocarburieren und Carbonitrieren um völlig unterschiedliche Verfahren. Carbonitrieren zählt zum Einsatzhärten, da es keine Verbindungsschicht bildet und nur kleine Mengen Stickstoff eingesetzt werden.
Drei unterschiedliche Arten der Nitrocarburierung
Zum Nitrocarubieren können unterschiedliche Medien verwendet werden. Gas beim Gasnitrocarburieren, ein Salzbad beim Salzbadnitrocarburieren und schließlich Plasma beim Plasmanitrocarburieren.
Gasnitrocarburieren
Niedrig- und unlegierter Stahl, dessen Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit verbessert werden soll, kann gut gasnitrocarburiert werden. Dazu wird ein Gasgemisch wie zum Beispiel Ammoniak und Kohlendioxid verwendet, das sowohl Stickstoff als auch Kohlenstoff abgibt. Die Behandlungstemperatur beträgt 500 °C bis 600 °C. Wird das Werkstück in einer oxidierenden Atmosphäre abgekühlt, kann der Korrosionsschutz weiter verbessert werden.
Salzbadnitrocarburieren
Gusseisen sowie niedrig-, mittel- und hochlegierter Stahl kann für eine sehr hohe Verschleiß- und Korrosionsbeständigkeit salzbadnitrocarburiert werden. Bei Temperaturen zwischen 550 °C und 630 °C werden die Werkstücke dafür in eine Salzschmelze getaucht. Diese besteht aus Alkalicyanaten sowie Alkalicarbonaten. Wird das Werkstück bei einer Nachbehandlung in einer oxidierenden Atmosphäre abgekühlt, kann auch hier der Korrosionsschutz weiter verbessert werden.
Plasmanitrocarburieren
Hochlegiertert Stahl kann plasmanitrocarburiert werden. Liegt der Chromgehalt unter 13 %, kann sowohl gasnitrocarburiert als auch plasmanitrocarburiert werden. Bei Temperaturen zwischen 480 °C und 580 °C werden die Werkstücke von ionisiertem Gas umschlossen. Es bildet sich keine Passivierungsschicht. Der Verzug ist gering und eine Nachbearbeitung in der Regel nicht nötig.
Nitrieren vs. Nitrocarburieren
Sowohl Nitrieren als auch Nitrocarburieren verbessern die Verschleißfestigkeit eines Bauteils. Beim Nitrocarburieren kann jedoch eine deutlich höhere Oberflächenhärte erzielt werden. Dadurch eignet es sich besser, um den Korrosionsschutz und die Schwingfestigkeit zu optimieren. Nitrieren wiederum eignet sich gut, um Verschleißfestigkeit sowie Gleit- und Notlaufeigenschaften zu verbessern.
Vor- und Nachteile Nitrieren
- Besserer Verschleißschutz (abrasiv, adhäsiv und korrosiv)
- Randzonen können exakt gehärtet werden
- Plasmanitrieren ist das umweltschonendste Verfahren (kein Einsatz giftiger Gase)
- Partielles Härten möglich
Vor- und Nachteile Nitrocarburieren
- Kosteneffizienter als Aufkohlen und andere Oberflächenhärteverfahren
- Verbesserter Verschleiß- und Korrosionsschutz
- Optimierte Gleiteigenschaften
- Höhere Notlaufeigenschaften
- Geringer Verzug dank niedriger Prozesstemperaturen spart Nachbehandlung
- Auch Schüttgut kann behandelt werden
Anwendungsbereiche
Nitrocarburieren und Nitrieren eignen sich als Verfahren für die gleichen Werkstoffe. Das umfasst auch unlegierten Stahl. Da das Verfahren besonders kosteneffizient ist, wird es zum Beispiel anstatt klassischer Hartbeschichtungen für Stanzwerkzeuge genutzt.
Typische Bauteile
- Schieber
- Kugelsitze und Kugelköpfe
- Ventilschäfte
- Regelventile
- Laufradgehäuse
- Pumpengehäuse
- Kolben und Zylinder
- Mähdrescher-Trennbehälter, Erntegutübergabestationen und Schneidvorrichtungen
- Ölpumpengetriebe für Dieselmotoren
- Zahnräder
- Kurbel- und Nockenwellen
- Pressbacken und Stanzwerkzeuge
- Nutentrommeln
- Extruder und Spritzgießmaschinen
- Pressbohrer, Gehäuse und Pressformenkomponenten
- Führungsschienen für automatische Handfeuerwaffen
Oberflächenhärte und Nitrierhärtetiefe verschiedener Werkstoffe
Welche Oberflächenhärten für verschiedene Werkstoffe beim Gasnitrocarburieren erreicht werden können, erfahren Sie in der Werkstofftabelle.
Hierbei gilt:
- Durch eine höhere Behandlungstemperatur verringert sich die Eigenhärte der Nitrierschicht.
- Durch eine höhere Nitrierdauer erhöht sich auch die Nitrierhärtetiefe (Nht.).
- Durch eine höhere Temperatur (480°C – 630°C) diffundiert Stickstoff in der gleichen Behandlungszeit tiefer in das Material.
- Durch einen höheren Legierungsgehalt des Werkstoffs erhöht sich die Nitrierhärte. Jedoch verringert sich auch, wie tief Stickstoff in das Material eindringen kann.
Checkliste: Nitrocarburieren beauftragen
Wenn Sie bei uns Werkstücke oder -stoffe nitrocarburieren möchten, beraten wir Sie gerne über das beste Vorgehen. Anhand folgender Checkliste können Sie den Auftrag bereits Ihrerseits vorbereiten.
- Welcher Werkstoff soll behandelt werden und in welchem Zustand befindet er sich?
- Wie hoch ist die Sollhärte (inkl. Toleranzbereich in HV)?
- Was ist die gewünschte Nitrierhärtetiefe (inkl. Toleranzbereich in mm)?
- Ggf. welche Bereiche sollen nitriert werden und wo kann eine Messung der Härte erfolgen?
- Ggf. wie dick soll die Verbindungsschicht sein (inkl. Toleranzbereich in μm)?
Hinweis:
Um die Verbindungsschicht und/oder Nitrierhärtetiefe zu ermitteln, nutzen wir eine von uns gestellte Probe. Für konkret auf Ihren Auftrag bezogene Messungen, müssen Sie uns ein für die Härtung vorgesehenes Referenz-Bauteil zur Verfügung stellen.